Nadja Wieser gewinnt Kathrin-Türks-Preis 2022

Nadja Wieser gewinnt Kathrin-Türks-Preis 2022 für ihr Stück „Eine Frau namens Olala. Oder: Schau mal, ich kann Spaghetti“

Seit seiner Neubelebung im Jahr 2008 verleiht die Burghofbühne Dinslaken gemeinsam mit der Niederrheinischen Sparkasse RheinLippe, der Stadt Dinslaken und dem Förderverein der Burghofbühne alle zwei Jahre den Kathrin-Türks-Preis für Autorinnen des Jugendtheaters. Der Kathrin-Türks-Preis ist nach der Gründungsintendantin der Burghofbühne benannt und unterstreicht die starke Gewichtung des Kinder- und Jugendtheaters in Dinslaken.

In diesem Jahr geht der Preis an Nadja Wieser für ihr Stück „Eine Frau namens Olala. Oder: Schau mal, ich kann Spaghetti“. Der Preis ist mit 5000 Euro – gestiftet von der Niederrheinischen Sparkasse RheinLippe – dotiert und beinhaltet außerdem die Uraufführung am 14. Januar 2023 an der Burghofbühne.

Die feierliche Preisverleihung wird in Anwesenheit der Autorin am 29. April 2022 ab 18 Uhr in der Hauptstelle Dinslaken der Niederrheinischen Sparkasse RheinLippe stattfinden. Unter anderem wird das Schauspielensemble der Burghofbühne Dinslaken aus „Eine Frau namens Olala“ lesen.  

 

Jurybegründung

Die 13-jährige Iette und ihr Zwillingsbruder Henri leben zusammen mit ihrer alleinerziehenden Mutter Merit. Es sind Ferien, die zwei sind viel allein, Mama muss arbeiten, aber sie kommen klar. Plötzlich gerät alles aus den Fugen: Der Pfleger Jon steht samt dementer Großmutter vor der Tür und berichtet, dass sie derzeit nicht mehr im Heim wohnen könne und vorübergehend zu ihnen ziehen müsse. Die Geschwister sind geschockt, hatte ihnen ihre Mutter doch immer erzählt, dass ihre Oma Orlanda schon lange tot wäre. Orlanda zieht zu ihnen und während Henri sich mit der neuen Situation anfreundet und sich liebevoll um die alte Dame kümmert, will Iette nichts mit ihr zu tun haben. Für sie ist sie ein „Zombie“, der nachts durch die Wohnung irrt und tagsüber mit Medikamenten zugedröhnt in ihrem Zimmer liegt.

Aus dieser Grundkonstellation entwickelt Nadja Wieser mit viel Raffinesse einen Plot, der viel mehr ist, als ein Stück über Demenz, den Umgang damit oder über genervte Teenager. Es ist vor allem ein Stück über das Erwachsenwerden, über das Miteinander-Reden, über die Frage nach Familie. Darüber, sich verantwortungsvoll zu verhalten, sich auf die Suche zu machen, herauszufinden, was man im Leben will. Denn während Henri, der anfangs noch als das schutzlose kleine „Hähnchen“ dargestellt wird, Verantwortung für Orlanda übernimmt und darüber auch berufliche Orientierung erlangt, sozusagen eine Entwicklung durchmacht, bleibt Iette zunächst die trotzige Teenagerin, die den „Zombie“ ignoriert und sich lieber ihren Lieblingsserien widmet. Doch dann ändert sich alles, denn Iette und Orlanda finden ein gemeinsames Thema. Und so reift nicht nur die Beziehung zwischen den beiden, sondern auch Iette selbst – und die Autorin lässt uns in einem sehr intimen, aber auch humorvollen Setting mit sympathisch kantigen Figuren daran teilhaben. Sie kreiert atmosphärisch dichte Szenen, und leuchtet die verschiedenen Beziehungsebenen dabei pointiert aus.

Das schriftstellerische Talent der Autorin zeigt sich auch darin, dass sie die jeweiligen Themen der einzelnen Figuren ernst nimmt: Vermeintlich nebensächliche Sätze bedeuten im Text von Nadja Wieser eine ganze Welt für eine einzelne Figur. Die Autorin eröffnet so innerhalb der Familienkonstellation trotz aller „Unterschiede“ eine gemeinsame Form der Begegnung und des Verständnisses: So bringt Nadja Wieser etwa die zaghafte Annäherung der Mutter Merit nach Jahren der Distanz und Enttäuschung zur Großmutter Orlanda oder das von großer Liebe als auch von Konkurrenz geprägte Verhältnis der Geschwister mit knapper, aber bildhafter Figurenrede auf beeindruckende Weise nahe.

Geprägt von einer großen Authentizität und Wertschätzung für menschliche Beziehungen in all ihren Facetten, ist „Eine Frau namens Olala“ ein Stück für alle Generationen und eröffnet mit spielerischem Sprachwitz einen berührenden Blick auf den Mikrokosmos Familie durch die Augen einer 13-Jährigen.

Der Jury gehören an: Nicola Bongard, Henning Fangauf, Marion Kaeseler, Monika Kosik und Nikola Schellmann.

 

Zur Autorin

Nadja Wieser wurde 1980 in München geboren. Sie studierte in Freiburg und Lille Deutsch, Französisch und Kunst auf Lehramt, anschließend Literarisches Schreiben am Literaturinstitut
in Leipzig. Sie arbeitet als Lehrerin und Autorin und übersetzt Theaterstücke aus dem Französischen. Ihre Texte wurden im Rahmen von Wettbewerben ausgezeichnet und präsentiert. Für ihre Stücke „Honig“ und „Die Gesammelten“ erhielt sie den Sonderpreis des Brüder-Grimm-Preises 2019. „Honig“ erhielt Nominierungen für den Deutschen Kindertheaterpreis und den StückPreis der Heidelberger Stückemarktes und wurde in den Stückepool des niederländisch-deutschen Kinder- und Jugend-dramatikerpreises Kaas & Kappes aufgenommen. Wieser lebt mit ihrer Familie in Leipzig.

 

Foto: © Vivien Oliveira